Julius Kugy in Arnoldstein

Im Heimatdorfe seines Vaters

"Er stammte aus einem Bauernhause im Kärntnerischen, in Lind, einem ganz kleinen Dörfchen bei Arnoldstein. Oft erzählte er mir, wie er im Winter den über halbstündigen Weg zur Schule barfüßig zurückgelegt habe."

Das Kirchlein von Lind bei Arnoldstein
Das Kirchlein von Lind bei Arnoldstein

Wir verbrachten damals die Ferien im Heimatdorfe meines Vaters, in Lind bei Arnoldstein. Das ganz kleine Dörflein - es sind nur wenige Bauernhäuser - liegt sehr lieb und ungemein bescheiden auf einer kleinen grünen Erdwelle abseits der Reichsstraße. Es ist von Bäumen halb verdeckt und man könnte es leicht übersehen, würde nicht ein kleines, spitzes Holztürmlein neben einem winzigen Kirchlein schüchtern und leise sagen:"Bitte, ich bin hier, mit einem ganz kleinen Dorf." Das Türmlein kann auch läuten. Mit zwei Glocken, einer höheren und einer höchsten. Auch ein kleines Echo ist da, das freundlich vom Waldhang antwortet. Man ist manchmal geneigt unbescheiden zu werden und vom Leben zu viel zu verlangen. Da ist es gut, an so ein in Armut und Bescheidenheit zufriedenes Holztürmlein zurückdenken zu können, das Erinnerung und Abendsonne verklären!"
Julius Kugy, Aus dem Leben eines Bergsteigers, 1925

"...Meine Feuertaufe bestand ich in den Arnoldsteinerwänden des Dobratsch..."

"1870 kamen wir zum ersten mal ins Kärntnerische. Mein Vater sah es nach vielen Jahren wieder. Wir wohnten in Lind bei Arnoldstein, dem Heimatdorfe unseres Vaters, im Bauernhause unseres Namens. Tante Agnes führte die Wirtschaft und kochte uns die schönsten Mahlzeiten. Lieb und brav waren ihre drei Töchter, unsere Cousinen: Agnes, die älteste, Monika, die sich so sehr nach besserer Bildung sehnte und leider ein sehr trauriges, selbstgewolltes Ende gefunden hat, und Urschel mit den wunderschönen, träumenden Blauaugen. Im Mittelpunkt des Hauses und der Arbeit stand der älteste Bruder, Onkel Simon, ein schöner, alter Bauer von sehr ruhigem Wesen und vornehmer und würdiger Haltung, die den gewesenen Soldaten verriet. Er hatte 1848 und 1859 die Feldzüge in Italien mitgemacht und es bis zum Korporal gebracht, viel gesehen und erlebt, und war voll spannender Soldaten- und Kriegsgeschichten, denen wir Buben in sprachloser Bewunderung lauschten. Sehr arm der dritte, arg vergichtete Bruder Jakob. Er war so gut ! Er weinte immer so bitterlich, wenn wir wieder fortzogen! Alle drei Brüder sahen sich sehr ähnlich. Es waren Pferde da und Fohlen, Rinder, Kälber und Schweine. Wir traten sofort zur Arbeit an. Ich half auf Feldern und Äckern mit, fuhr die hochbeladenen Heuwägen kühn in die Scheune ein, hackte Holz, drosch, verkehrte brüderlich mit Knechten und Halterbuben, kutschierte den Einspänner nach Arnoldstein und nach Warmbad Villach...

Dann fing ich Krebse in den kleinen Wasserläufen der Sumpfwiesen, entdeckte eine wundervolle feuchte Trogwiese, die voll Gentiana Pneumonanthe in entzückendem Dunkelblau stand, kam, auf trügerisch schwankenden Moosgründen vorsichtig dahinschreitend, zu etwas unheimlich anmutenden, rostbraun schimmernden Stellen im Moore...

 

Blickte ich auf, so stand der ganze lange Zug des Dobratsch vor mir, vom altehrwürdigen Schrotturm in Föderaun mit großen, immer höher emporstrebenden Waldrücken herüberstreichend bis zu den weißen Arnoldsteinerwänden, rotleuchtend die breiten Steilstellen in der Mitte, wo der Bergsturz 1348 niedergebrochen ist. Weiter im Hintergrunde, nach Westen hin, der Oisternig. Die Julischen Alpen im Süden konnte man nicht sehen, dazu mußte man zu den Höhen des Wurzener Passes, des "Krainberges", emporsteigen. Das tat ich sehr oft...

...rotleuchtend die breiten Steilstellen in der Mitte, wo der Bergsturz 1348 niedergebrochen ist...
...rotleuchtend die breiten Steilstellen in der Mitte, wo der Bergsturz 1348 niedergebrochen ist...
Gailfluss und der lange Zug des Dobratsch
Gailfluss und der lange Zug des Dobratsch

Unser Vater führte uns gerne zu den Ufern des hellen, eilenden Gailflusses, zu den Kirchtagen im Gailtal, wo wir die reizenden Volkstrachten sehen konnten, das "Kufenstechen" der berittenen Burschen und die sonstigen Überreste mittelalterlicher Spiele.

Es war schöne, fröhliche Zeit!

Der Jahrhunderte alte Brauch des Kufenstechen in Arnoldstein, der auch schon den jungen Julius Kugy faszinierte
Der Jahrhunderte alte Brauch des Kufenstechen in Arnoldstein, der auch schon den jungen Julius Kugy faszinierte

Immer unvergessen wird mir der erste Tag dieses Wiedersehens bleiben. Wir gingen in den Gemeindewald. Der Vater ließ uns Holz sammeln, er zündete ein kleines Feuerlein an, das erste meines Lebens. So mag er getan haben, als er, ein kleiner, barfüßiger Junge, hier die Kühe hütete. Wir blieben eine Weile, und als es zu dämmern begann, sagte er, wir müssen es nun löschen. Dann gingen wir nach dem nahen Pöckau ins Wirtshaus, wo am Abend die Burschen saßen. Er ließ Wein auffahren, und sie sangen ihre Kärntnerlieder.

 

Die schönen, frohen, traurigsüßen, herzbeklemmenden, herzbefreienden Kärntnerlieder:

"Er muß reisen auf fremde, fremde Straßen,

 Muß sein Diandle

 Ei´m andern überlassen -

 Ja, ja, wie hart ist das!"

 

und dann:

"Verlassen, verlassen

 Wia der Stan auf der Straßen" -

 

und das schneidig rhytmisierte:

"Jetzt kommen die lustigen Karntnerbuam ham!"

 

Mein Vater war in tiefster Stimmung. Manchmal sang er leise in der "Drüberstimme" mit. Man sah es ihm an: aus jedem Lied traf ihn, mild und weich das traute, treue Auge der Heimat. Dann gingen wir langsam nach Hause. Die Roggenäcker standen in hohen, reifen Ähren, von der Heidenblüte wehte starker, süßer Honigduft. Linde lag die laue Sommernacht über dem Tal. Die Wälder schliefen, die alten Sternenbilder grüßten. O Kärntnerland !

 

Damals oder das Jahr darauf bin ich zum ersten mal auf den Dobratsch gekommen. Ich sah die Julier in ihrer vollen Pracht und Herrlichkeit...Aber auch der Botaniker in mir jubelte auf, als ich bei der Gipfelkapelle die feine Azalea procumbens fand, die schön lange ein Ziel meiner Wünsche gewesen war."

 

"...Meine Feuertaufe bestand ich in den Arnoldsteinerwänden des Dobratsch..."

 

"... Kamen wir wärend des Sommerurlaubes in Dorfkirchen, so zog immer die Orgel meine volle Aufmerksamkeit an sich. Der feierliche Orgelklang nahm mich ganz gefangen. Es wuchs in mir der Wunsch auf, es mit dem Spiel doch zu versuchen. Ich tat es erstmals in Arnoldstein..."

 

Julius Kugy, Arbeit-Musik-Berge-Ein Leben, 1931 

 

Die Italiener errichteten in Erinnerung an Julius Kugy Denkmäler in Triest, in der Seisera und in Valbruna.

In Wien, München, Villach, Klagenfurt, Tarvis, Valbruna, Görz und Udine sind Straßen und Gassen nach ihm benannt.

In Triest und in Klagenfurt gibt es eine Kugy-Schule. In Tarvis gibt es jedes Jahr ein Kugy-Bergfilmfestival.

In Triest und in Tarvis gibt es einen Kugy-Wanderweg.

In Slowenien steht das große Kugy-Denkmal im Trentatal an der Vrsic-Pass-straße. Die slowenische Post hat Briefmarken und Telefonwertkarten zu seinen Ehren herausgegeben...


Im Heimatdorf seines Vaters in Arnoldstein kennt man Julius Kugy nicht mehr und hat ihn öffentlich vergessen...

(mit Ausnahme des Gedenksteines am Kugy-Haus in Lind und der Dr.Julius Kugy-Straße)

...Im Gegensatz zu Valbruna, wo man es bestens versteht, den Namen seines berühmten Gastes bis heute touristisch zu nutzen.


In Wien, München, Villach, Klagenfurt, Arnoldstein, Tarvis, Valbruna, Görz und Udine sind Straßen und Gassen nach ihm benannt.
Julius Kugy auch heute noch allgegenwärtig in Valbruna - der Ort versteht es bestens den Namen seines berühmten Gastes touristisch zu nutzen
Julius Kugy auch heute noch allgegenwärtig in Valbruna - der Ort versteht es bestens den Namen seines berühmten Gastes touristisch zu nutzen
Erinnerungstafel am Vaterhaus Julius Kugys in Lind bei Arnoldstein in Kärnten
Erinnerungstafel am Vaterhaus Julius Kugys in Lind bei Arnoldstein in Kärnten
Das Haus Kugy in Lind bei Arnoldstein
Das Haus Kugy in Lind bei Arnoldstein
Kugy Mountain Festival in Tarvis
Kugy Mountain Festival in Tarvis
Kugy-Denkmal in der Saisera vor der mächtigen Kulisse des Montasch
Kugy-Denkmal in der Saisera vor der mächtigen Kulisse des Montasch
Die Kugy-Gasse in Tarvis
Die Kugy-Gasse in Tarvis
Piazza Giulio Kugy und Anton Oitzinger Gasse in Wolfsbach (Valbruna)
Piazza Giulio Kugy und Anton Oitzinger Gasse in Wolfsbach (Valbruna)
Kugy-Wanderweg in Tarvis
Kugy-Wanderweg in Tarvis
Briefmarke der slowenischen Post zu Ehren Julius Kugys
Briefmarke der slowenischen Post zu Ehren Julius Kugys